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Zum Ende der Seite springen Bioschweine in Berchtesgaden
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Jörg Jörg ist männlich
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Bioschweine in Berchtesgaden Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Dass sechs Schweine im Stall von Georg Feldschmid grunzen und sich jetzt im Winter zweimal am Tag auf frischer Einstreu räkeln können, wäre keiner Erwähnung wert. Schon weil der Bauer aus Bischofswiesen-Strub unweit von Berchtesgaden früher deutlich mehr Schweine im Stall hatte. Doch die sechs Sauen sind keine gewöhnlichen, sondern gehören zur bedrohten Rasse des Schwäbisch-Hällischen Landschweins. Und sie sind obendrein ein beispielhaftes Pilotprojekt, das zeigt, wie sich Tier- und Artenschutz mit nachhaltiger Landwirtschaft und der Regionalvermarktung schmackhafter Erzeugnisse kombinieren lässt - einen langen Atem vorausgesetzt.

Das Fleisch von Bauer Feldschmids Schweinen wird als Schinken oder Speck von "Berchtesgadener Kerndl-Sauen" verkauft, was so viel heißt wie "Körner-Säue". Gefüttert werden diese jedoch nicht nur mit einer gekochten Mischung aus Getreide, Wasser und Kartoffeln, sondern auch mit geschredderten und zu Futterbrot verbackenen Brotresten aus den Bäckereien der Gebrüder Alfons und Franz Neumeier. Und der Dritte im Bunde, der Metzger Fritz Kastner, schlachtet die Schweine im Berchtesgadener Schlachthof und stellt aus ihrem langsam gewachsenen, marmorierten Fleisch mit dem kräftigen Geschmack "Meisterwurz-Salami" und Bauernspeck her.

All das ist ganz im Sinne der Philosophie des "Biosphärenreservates Berchtesgaden", denn in solchen Projektregionen sollen Natur- und Umweltschutz sowie sanfter Tourismus harmonisch mit einer nachhaltigen Wirtschaftsweise verknüpft werden, von der die jeweilige Region profitiert.

Die Idee zur Kerndlsau hatten die beiden Bäcker-Brüder. Sie fragten sich, ob sich das täglich anfallende Restbrot nicht sinnvoller verwenden ließe, als es wegzuwerfen. Die Neumeiers besannen sich der früher auch in Bischofswiesen üblichen Praxis, dass Bäcker den Bauern übrig gebliebene Brote lieferten, damit sie als "Sauloabi" an die Schweine verfüttert werden konnten. Das ist dann kein Hygiene-Problem, wenn das Futterbrot keine Fette oder andere tierischen Bestandteile enthält, wie es etwa in Speiseresten der Fall ist. Spätestens ab 2006 dürfen in Deutschland nämlich selbst unter hohem Druck gekochte und somit sterilisierte Tischabfälle nicht mehr als Nutztierfutter verwendet werden, um auszuschließen, dass auf diese Weise Seuchen wie die Schweinepest verschleppt werden.

Einen kooperationswilligen Bauern fanden die Brüder in Georg Feldschmid. Das Gespann beantragte Fördergelder beim bayerischen Umweltministerium, wobei das Beratungsbüro "Zukunft Biosphäre GmbH" half. "Die Sache wurde als nachhaltiges Projekt und damit als förderungswürdig anerkannt", berichtet Ulrich Brendel von "Zukunft Biosphäre" über den Projektstart im Juli 2001.

Das lag auch an der gewählten Schweinesorte, dem Schwäbisch-Hällischen Landschwein. Von dieser als gefährdet geltenden Rasse gibt es laut Rudolf Bühler, dem Vorsitzenden der Züchtervereinigung Schwäbisch-Hällisches Schwein im Hohenloher Land, bundesweit nur noch etwa 400 für die Zucht geeignete Herdbuchtiere. Hinzu kommen rund 4500 Sauen "in der Produktion", wie Bühler das Gebären von Ferkeln nach der Kreuzung mit Ebern von der Rasse Piétrain nennt.

Das Schwäbisch-Hällische Schwein hat chinesische Vorfahren, die im 18. Jahrhundert nach Europa eingeführt wurden. Es gilt als außerordentlich fruchtbar und widerstandsfähig, was im Klima des Berchtesgadener Landes von Vorteil ist. Die Rasse ist gut erkennbar am schwarzen Kopf und dem schwarzen Hinterteil, dem gestreckten Körper und den langen Schlappohren. Ihr Fleisch ist bei Feinschmeckern und Spitzenköchen beliebt, weil es fester und etwas dunkler und fetthaltiger als üblicherweise ist und den Saft besonders gut hält.

Mit den Zuschüssen des Landes kaufte "Zukunft Biosphäre" eine Gruppe von Sauen bei Bühlers Züchtervereinigung im hohenlohischen Wolpertshausen und gab sie in die Obhut von Bauer Feldschmid. Aus den Fördermitteln zahlte sie diesem seinen Aufwand inklusive der Arbeit sowie das Futter. "Ich bin so eine Art Schweine-Pension", sagt Feldschmid, der sich als "dankbarer Partner" des Projektes sieht, weil er sich anständig bezahlt fühlt, anders als die Bauern im Allgemeinen. Der Erlös aus dem Fleischverkauf an die Gastronomie, ab Hof oder in der Metzgerei geht an "Zukunft Biosphäre", der die Kerndl-Säue offiziell gehören. "Wir verlangen pro Kilo Speck 18,50 Euro", sagt Ulrich Brendel, der den Erlös als "sehr zufriedenstellend" bezeichnet. Die Nachfrage sei groß und ließe auch größere Stückzahlen als die bescheidene des Pilotprojekts zu.

Doch dessen Zukunft ist ungewiss: Die Zuschüsse des Landes waren nicht mehr als eine Anschub-Finanzierung und werden voraussichtlich auch nie mehr sein. "Das Projekt wird in dieser Form nicht weiterlaufen", sagt Brendel. "Wir kaufen keine Schweine mehr nach." Nun sei Initiative bei den drei Projektpartnern nötig, vor allem bei Georg Feldschmid.

"Am besten würde er seinen Hof auf Öko-Landwirtschaft umstellen, denn auch dafür gibt es Zuschüsse", rät Brendel und bietet hier Beratung an. Doch der Angesprochene ist skeptisch, ob sich ein Absatz des aufwendig erzeugten Fleischs rechnet, schon weil die Preise für Schweinefleisch im Keller sind. Er hofft auf weitere Förderung durch den Freistaat Bayern, die äußerst fraglich ist.

So könnte die Kerndl-Sau die längste Zeit gegrunzt haben, weil einmal mehr ein lobenswerter Vorstoß an der kritischen Schwelle zwischen Pilot-Projekt und Marktgängigkeit auf Dauer ins Straucheln gerät.

Quelle: Frankfurter Rundschau
06.03.2003 18:00 Jörg ist offline E-Mail an Jörg senden Beiträge von Jörg suchen Nehmen Sie Jörg in Ihre Freundesliste auf
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