Der Fall "Aalfred" |
Jörg
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Es ist schon einige Zeit her, dass auf unserer Website ein Editorial zu einem aktuellen Ereignis veröffentlicht wurde. Doch nun ist es wieder an der Zeit, dass wir auch redaktionell eigenständigere Wege beschreiten.
Am gestrigen Abend verfolgte ich im Wohnzimmer mit einem halben Auge die TV-Sendung 17.30h auf Sat 1 während ich im Interet unterwegs war. Der Bericht über einen Aal in einer Badewanne weckte dann meine Aufmerksamkeit.
Nun mag man sich trefflich darüber streiten, was denn eine Aal-Storie auf Schweinefreunde.de zu suchen hat, aber dies erklärt sich, so denke ich, anhand der weiteren Ausführungen.
Das Tier, Aalfred genannt, sollte eigentlich als Mittagessen enden. Die Besitzer brachten dies augenscheinlich wohl nicht über's Herz und behielten den Aal dann. Seitdem lebt Aalfred in der wohnungseigenen Badewanne und ist, man lese und staune, 32 Jahre alt. Unreflektiert denkt man zunächst einmal: das ist doch eine nette Geschichte und so schön ungewöhnlich.
Aufhänger der ganzen Sendung war jedoch diesmal, dass ein Amtsveterinär die Haltungsbedingungen überprüfen musste, weil Tierschützer diese bemängelten. Mit mehreren Kamerateams beobachteten die Journalisten den Veterinär, während er seinen Besuch abstattete. Auch die Halterin wurde interviewt und sie erzählte, dass es Aalfred gut bei ihnen gehen würde und dass sie die Aufregung nicht verstünde.
Der Amtsveterinär erzählte dann in einer ersten Stellungnahme, dass die Wassertemperatur sowie der Sauerstoffgehalt des Wassers stimmen würde. Eine weitere Kommentierung wurde entweder nicht gesendet oder es gab sie niemals.
Und was hat das ganze mit Schweinen zu tun ?
Gut, sehen wir die Sache doch mal aus dem Blickwinkel des Tieres und nicht aus dem Blickwinkel der treusorgenden Wannenbesitzerin, dem wassertemperaturprüfenden Amtsveterinär und den storysuchenden Journalisten.
Im Grunde ist Aalfred tot, er ist nur noch nicht gestorben. All das, was seine Existenz ausmacht, sein Wesen als Aal, sein Drang nach Bewegung, nach dem Erkunden seines Territoriums seines möglichen Triebes nach Vermehrung etc. ist mit Füßen getreten worden und unerfüllt geblieben. Seine Existenz wurde auf das nackte Überleben in einer kahlen, weißen Badewanne reduziert.
Ich bin kein Biologe oder Ethnologe, kenne mich mit Aalen überhaupt nicht aus, aber ich weiß, dass die Instinkte, die Triebe und das Verhalten einer Spezies über ihr Leben herrscht. Die komplette Negation dieser Tatsachen und das bloße Reduzieren eines Lebewesen auf das körperliche Überleben ist eine dem Menschen häufig anzukreidende Unart.
Aalfred steht für mich als trauriges Beispiel für all die Tiere, die wir aus irgendwelchen Gründen in enge Behältnisse, Käfige und dergleichen stecken. Zu unserem eigenen Vergnügen oder zu unserem Nutzen. Seien es einzeln gehaltene Wellensittiche, Katzen, die niemals frisches Gras unter den Pfoten hatten oder eben Schweine, die nur auf dem Weg zum Schlachthof das Sonnenlicht sehen.
Und schon haben wir den Bogen gespannt. Denn auch für die Schweine in der Massentierhaltung findet die komplette Negation ihrer fundamentalen Bedürfnisse Tag für Tag statt. Sie werden in künstlich beleuchtete, enge Ställe gepfercht, können sich kaum bewegen, geschweige denn ihrer arteigenen Triebe ausleben.
Das deutsche Rechtssystem erkennt aber die dadurch entstehenden psychischen Leiden nicht unbedingt als solche an, denn sie verursachen keine (direkten) Blutungen, keine Rippenbrüche oder Schlaganfälle.
Man kann sie auch nicht mit einem Thermometer messen, so wie es der Amtsveterinär mit der Wassertemperatur getan hat. Dennoch sind sie da und sie sind in ihren Auswirkungen richtigen, körperlichen Schmerzen gleichzusetzen.
Das Leid einer in der "eisernen Jungfrau" eingepferchten Muttersau, die sich nicht, wie es ihre arteigenen Triebe verlangen, von der Rotte absetzen kann um ein Nest zu bauen und dort ihre Nachkommen zur Welt zu bringen und zu umsorgen, ist umermeßlich. Doch wir Menschen interessieren uns nur für den augenscheinlichen Nutzen, den uns die Schweinehaltung bringt. Ein Mindestmaß an Respekt vor den Ansprüchen der Lebewesen ist uns im Laufe der Zeit verloren gegangen. Wenn er denn jemals existierte.
Wir Menschen haben die Vorstellungskraft und den Verstand, unsere Handlungen auf Konsequenzen abzuklären. Wir können uns Dinge "ausmalen" und wenn ich mir persönlich den Leidensweg von Aalfred vorstelle, dann wünsche ich ihm von Herzen entweder ein ausreichend großes Aquarium mit entsprechender Bepflanzung etc. oder aber einen schnellen Tod. Ich denke, dass er sich den für sich auch schon "gewünscht" haben dürfte, wenn er könnte...
Jörg Kipka
- Schweinefreunde.de -
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28.01.2003 16:48 |
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Gast unregistriert
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hallo Jörg,
den Bericht habe ich auch gesehen in der selben kombinatin *grins*
und mich darüber gewundert, daß jemand so lange Zeit ständig mit der Badewanne herumhantiert. *grübel*
Es wäre für alle "Mensch und Tier" ja viel besser/einfacher mit einem Aquarium.
Es gibt schon merkwürdige Retter...
Ob es wirklich so stimmt oder nicht für die Presse so "eingerichtet" wurde, da mehr Quoten???
Grüsse
Ralf
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28.01.2003 23:50 |
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Blinky unregistriert
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Hhm, schon ein schwieriges Thema! Ob man diesem Aal einen Gefallen getan hat? Wohl kaum!
Andererseits finde ich es ziemlich seltsam, dass jetzt (stand heute im Abendblatt) überlegt wird, ihn auszuwildern, der hat dann doch keine Chance...
Und auch seltsam, wenn man überlegt, wie viele Tiere gehalten und geschlachtet werden...
Lieben Gruss, blinky
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29.01.2003 17:08 |
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Moni unregistriert
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Ich denke, ein Jahr in Freiheit ist besser, als 30 Jahre in der Wanne........
Moni
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29.01.2003 18:26 |
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Gast unregistriert
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Ich finde Jörg hat mit seinem einfühlsamen Text, den Nagel sprichwörtlich auf den Kopf getroffen!
Was viele Leute unter "Tierliebe" verstehen, ist für mich überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, aber viele Tierhalter wissen es anscheinend nicht besser und auch die Behörden bzw, Politiker nicht :-(
Ich bin schon fast ganz zum Vegetarier mutiert, da ich mich für das leidige Leben der Tiere einfach nicht (noch weiter) mitverantwortlich machen will.
Die BIO-Bauern sind da schon ein guter Anfang, aber ob das die moralisch beste Endlösung ist, bezweifle ich an dieser Stelle mal.
MfG
BigBen (3D Center Forum)
PS: Nette Webseite ^^
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30.01.2003 15:02 |
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Jörg
Mitglied
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Hallo BigBen !
Hätte ich ja nicht gedacht, dass jemand aus meiner "zweiten Heimat" (3DCenter) mal hier vorbeischaut
!
Danke für Deinen Kommentar und das ausgesprochene Lob. Ich kann Deine Gedanken recht gut nachvollziehen, bin ich doch schon seit einer ganzen Weile (12 Jahre) Veggie. Auch ich würde/werde mir niemals Fleisch aus einer "guten" Bio-Quelle besorgen. Allerdings heißt das nicht, dass ich diesen Weg für die meisten anderen Leute schlecht finde. Im Gegenteil, denn den Tieren wäre auf diese Art und Weise schon mal sehr geholfen.
Leider sprechen die meisten Tierfreunde diesbezüglich ja mit einer gespaltenen Zunge: auf der einen Seite verdammen sie die Massentierhaltung, aber das Schnitzel wird trotzdem billigst im Supermarkt bezogen :rolleyes:
Zum Aal: es zeigt leider auch wie perfide unsere Medienlandschaft teilweise geworden ist. Denn den Journalisten war wohl eher die ungewöhnliche Story wichtig, nicht aber ein Blick hinter die Thematik.
Manches Mal verzweifel ich an der deutschen Fernsehlandschaft...
Gruss,
Jörg aka Yosh
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30.01.2003 16:00 |
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Gast unregistriert
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Zitat: |
Original von Jörg
Hätte ich ja nicht gedacht, dass jemand aus meiner "zweiten Heimat" (3DCenter) mal hier vorbeischaut
! |
Woher sollte ich bei deiner ominösen Link-Umschreibung auch wissen, das es sich um so eine Webseite handelt ;-)
Tja, das Thema (Speise-)Fleisch ist eine recht heikle Angelegenheit, welche meiner Meinung nach sogar noch komplexer als der reine Tierschutz ist.
Zum Glück wird es im laufe der nächsten Jahre immer mehr Alternativen geben, so dass sich der Verzehr von Fleisch auf ein Minimum reduzieren lassen "könnte".
Gruß
Benjamin alias BigBen
PS: Aalfred, der Name gefällt mir
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30.01.2003 20:19 |
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Christina.B unregistriert
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Ach, was für ein trauriges Thema.
Wusstet Ihr, dass Hummer in Paletten in riesigen Hochregallagern, mit zugebundenen Scheren, die Lebensfunktionen durch kaltes Wasser künstlich runtergefahren, u.U. monatelang vor sich hin vegetieren, bis sie dann ausgeliefert werden, um in kochendem Wasser ihr Leben zu beschließen ????
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31.01.2003 13:21 |
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mausi unregistriert
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hy jörg
danke, du hast mir aus der seele gesprochen hatte die tränen in den augen (ernstgemeint)
trauriger gruss mausi
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31.01.2003 13:59 |
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Jörg
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Hi Benjamin !
Zitat: |
Original von Gast
Woher sollte ich bei deiner ominösen Link-Umschreibung auch wissen, das es sich um so eine Webseite handelt ;-) |
Was natürlich reine Absicht war. Vielleicht sollte ich den Link noch etwas drastischer umschreiben
!
Zitat: |
Zum Glück wird es im laufe der nächsten Jahre immer mehr Alternativen geben, so dass sich der Verzehr von Fleisch auf ein Minimum reduzieren lassen "könnte". |
Dein Wort bzw. Deine Hoffnung in Gottes Gehörgang. Ich persönlich zweifel immer noch ein wenig daran, dass "Otto Normal" sich wirklich ändern kann und wird. Aber man soll ja nicht aufgeben. Und wenn wir hier wenigstens 1 % der Besucher auf unsere Seite ziehen
wäre das ja schon der Mühen wert.
Gruss und man sieht sich im 3DC
Jörg aka Yosh
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02.02.2003 09:11 |
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Jörg
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Zitat: |
Original von christina
Wusstet Ihr, dass Hummer in Paletten in riesigen Hochregallagern, mit zugebundenen Scheren, die Lebensfunktionen durch kaltes Wasser künstlich runtergefahren, u.U. monatelang vor sich hin vegetieren, bis sie dann ausgeliefert werden, um in kochendem Wasser ihr Leben zu beschließen ????
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Ja, leider ist mir auch dies geläufig. Und es gibt ja noch eine ganze Littanei von Dingen, die man hier ebenfalls noch aufzählen könnte.
Was am Fall Aalfred jedoch so drastisch ist: die Halter geben ja vor, dass sie nur das Beste für das Tier tun/wollen. Diese Heuchelei oder das blanke Nichtwissen, gepaart mit dem langen Leidensweg, haut mir echt den Kitt aus der Brille
Lieber Gruss,
Jörg
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02.02.2003 09:13 |
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Christina.B unregistriert
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Hi, Jörg,
hm, Du hast völlig recht, das ist noch wieder was ganz anderes.
Aber auch da gibt es ja leider aufgrund von Nichtkenntnis, Gleichgültigkeit usw. genug schlimme Dinge (z.B. Papageien, die allein gehalten werden, Tiere, die vor Überfütterung krank werden, der klassische Glas-Goldfisch etc.). Und hier meinen es die meisten Leute mit Ihren Haustieren sicher gut und sind völlig erschüttert, wenn man ihnen sagt, dass das Tier leidet.
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03.02.2003 16:00 |
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Marie-Christin
Schweinefreund(in)
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Hallo!
Naja, wenn sie sich das wenigstens sagen ließen, die meisten wissen ja alles besser und glauben das nicht. Vielleicht eine Art von Gewöhnung. Es ist nicht so einfach, zu erkennen, wenn das eigene Tier leidet, weil man ihm doch nur das beste geben will.
Man kann Menschen, die nicht selbst um Hilfe bitten auch meistens nicht helfen.
Grunz, Marie.
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04.02.2003 21:29 |
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