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Zum Ende der Seite springen Schweine leben nur kurz im Glück
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peggy
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Schweine leben nur kurz im Glück Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

TRADITION / Bauer Löckenhoff will im nächsten Jahr seine Ferkelzucht aufgeben. Reich haben ihn die Tiere nicht gemacht.

Wie laut so ein kleines Lebewesen schreien kann! Obwohl es so zart wirkt mit seinen winzigen Äuglein, dem kleinen Köpfchen und der rosigen Haut. Friedlich sieht es aus. Wie es da liegt und schlummert, zusammen mit seinen vielen Geschwistern. Und plötzlich ist es mit dem Frieden vorbei: Hans-Werner Löckenhoff hebt es hoch, nimmt es auf den Arm - und aus dem Baby wird eine 30 Zentimeter große, ein Kilogramm schwere Sirene.

Die Ferkel im Stall des Icktener Landwirts Löckenhoff erinnern tatsächlich an Menschenkinder. Genauso verletzlich sind sie, genauso niedlich und genauso laut. Wer ein Schweinebaby sieht, kann sich denken, warum die Tiere als Glücksbringer gelten und zu Silvester reihenweise von Menschen verschenkt werden, die ihren Mitmenschen Gutes wünschen.

Nur: Mit der Niedlichkeit der Tiere hat das eher wenig zu tun. Eine Theorie besagt vielmehr, dass die Schweine Glück bringen, weil man in ein Ferkel nur alle möglichen Essensreste hineinstopfen muss. Am Ende wird dann aus dem kleinen Ferkel ein großes, dickes Schwein, das sich gut verkaufen lässt und seinen Besitzer reich macht. So wurde das Schwein zum Sparschwein - und zum Symbol für Wohlstand. Einer anderen Theorie zufolge mutierte das Schwein wegen seiner großen Fruchtbarkeit zum Glücksbringer. Eine Zuchtsau aus Thüringen etwa wurde in den Achtzigern berühmt, weil sie mehr als 300 Ferkeln das Leben schenkte. Eine dritte Theorie besagt, dass wandernde Studenten im Mittelalter mit Ferkeln für landwirtschaftliche Hilfsdienste entlohnt wurden. Neben den Tieren bekamen sie Wünsche für eine gute Zukunft mit auf den Weg. Erklärungen für den Ruf des Schweins als Glücksbringer gibt es also reichlich. Aber wie das mit Theorien so ist: Mit der Realität müssen sie nicht unbedingt viel zu tun haben.

Reich macht ein Schwein seinen Besitzer heutzutage jedenfalls nur noch selten. Da hilft auch das Anhäufen vieler Schweine wenig. Auf dem Hof von Löckenhoff leben derzeit etwa 300 Rüsseltiere, darunter 70 Zuchtsauen. Dennoch sagt er: "Nächstes Jahr an Silvester gibt es hier wahrscheinlich keine Schweine mehr. Es lohnt sich einfach nicht. Ich mache zwar keinen Verlust damit, aber viel Gewinn auch nicht."

Schuld ist der Verfall der Preise für Schlachtschweine. Vor 30 Jahren, berichtet Löckenhoff, wurden für ein Kilogramm lebendes Schwein noch vier Mark bezahlt, heute erhalten die Bauern für ein Kilo 1,20 Euro. Und: Nicht mehr das Lebendgewicht zählt, sondern das Schlachtgewicht. Kein Wunder, dass Löckenhoff "einen Hals" kriegt, wenn er zum Metzger geht: "Für fünf Mettwürstchen habe ich neulich 4,80 Euro bezahlt." Weil er als Bauer aber wenig von diesem Geld sieht, wird Mülheims letzter verbliebener Schweinezüchter die Zucht wohl aufgeben.

Noch aber ist der Geburtsstall voll. Kurz vor dem Abferkeln werden die Sauen dorthin gebracht. Wenn der Nachwuchs da ist, spendiert Löckenhoff eine wärmende Rotlichtlampe. Dicht an dicht gekuschelt liegen die Ferkel auf dem Stroh und dösen. Aufstehen? Höchstens, um die paar Schritte zu den Zitzen der Mutter zurückzulegen und zu trinken. Dabei herrscht ein ziemliches Getümmel, schließlich gehören zu einem Wurf im Schnitt zehn Tiere.

Bei den vier Wochen alten Jungtieren ist bereits zu sehen, wer beim Kampf um Nahrung den größten Erfolg hatte: Manche Ferkel sind deutlich kräftiger als andere. In diesem Alter wird der Nachwuchs von der Mutter getrennt. Die Jungschweine behält Löckenhoff noch zwei Monate lang, dann verkauft er sie an Mäster, die sie nach weiteren vier Monaten zum Schlachthof bringen.

Für die Zuchtsauen fängt die Arbeit von vorne an. Auf Löckenhoffs Hof wiederholt sich dieser Fruchtbarkeitszyklus bereits seit vier Generationen immer wieder: "Mein Urgroßvater hatte schon Sauen", berichtet der Bauer. "Mein Großvater hatte 20, mein Vater 60, und ich hatte in der Spitze 120 Sauen." Nun, da es mit der Schweinezucht wohl bald ein Ende hat, verdient Löckenhoff auf andere Weise sein Geld. Gemeinsam mit seiner Frau verkauft er Masthähnchen und Eier direkt vom Hof. Und er stellt vor Wahlen Plakatwände für alle politischen Parteien auf. In diesem Gewerbe haben die vergangenen Wochen ihm ein gutes Geschäft beschert: "So traurig der Rücktritt des Oberbürgermeis-ters auch ist. Für uns ist er ein Glücksfall. Ab Januar müssen wir plakatieren."

HOLGER HANDSTEIN

(Quelle: Neue Ruhr Zeitung 31.12.2002)
31.12.2002 11:23
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