Geschrieben von Sabine am 28.11.2009 um 16:58:
Gnadenhof für Borstentiere in Ostfriesland
Schweine im Paradies
Gnadenhof für Borstentiere in Ostfriesland
Schweine im Paradies
Von Sara Sundermann
Eversmeer. Sam hat blonde, lockige Borsten und ist ein Glücksschwein. Er tollt mit seiner Rotte umher, kann sich suhlen, schubbern oder im Stroh verkriechen und wird regelmäßig gekrault. So ein gutes Leben hat er nicht immer gehabt, doch vor ein paar Jahren ist er im 'Schweine-Paradies' gelandet: Bei Sabine und Holger Duda, die in Ostfriesland Deutschlands ersten Gnadenhof für Borstentiere gegründet haben.
Auf der Twister-Ranch in Eversmeer lässt das Ehepaar die Sau raus - oder besser gesagt: 16 Säue und einen Eber. Die Schweine der Dudas leben ganzjährig draußen, haben aber vollisolierte Hütten, in die sie sich an kalten Tagen zurückziehen können. Unterstützt vom bundesweiten Verein 'Schweinefreunde e.V.', deren Vorsitzende Sabine Duda ist, haben sie und ihr Mann ein Tierheim für Borstentiere aufgebaut.
Die Schweine, die bei ihnen untergekommen sind, vegetierten vorher in engen Etagen-Wohnungen, waren auf dem Weg zum Schlachthof oder wurden von ihren Besitzern einfach vergessen. So erging es auch Wollschwein Sam: Nachbarn hatten das Veterinäramt eingeschaltet, weil auf dem Hof seiner Besitzer tote Ziegen im Mist lagen. Auch Sams Bruder fanden die Tierärzte leblos im Stall. Er war verhungert. 'Die Besitzer haben die Tiere regelrecht vergammeln lassen', sagt Sabine Duda. Sam war ebenfalls nur noch Haut und Knochen, als er auf die Twister-Ranch kam.
Den Dudas ist es gelungen, ihn wieder aufzupeppeln. 'Sam hat soviel Vertrauen zu Menschen und ist eine richtige Schmuse-
backe', sagt Sabine Duda. Überhaupt bekommen die Borstentiere bei ihr regelmäßig Streicheleinheiten: 'Schweine kuscheln sehr gerne.' Dann schmeißen sie sich hin und wollen gekrault werden, am liebsten endlos. Und sie sind extrem bestechlich. Die meisten Säue im Schweine-Paradies mögen Menschen im Allgemeinen - aber doch ganz besonders diejenigen, von denen sie Leckerlis zugesteckt bekommen. Dafür tun sie fast alles: Sie hören auf ihren Namen und sind auch sonst sehr gelehrig.
'Meine Schweine hören wesentlich besser als mein Hund', sagt Sabine Duda und lacht, 'Die haben in zehn Minuten ?Sitz' gelernt - der Hund hat deutlich länger gebraucht.' Der 49-Jährigen sind die großen Arten am liebsten, weil die das ursprünglichste Verhalten an den Tag legen. So wie Edelschwein Johannes. Der ist zwei Meter lang und gut 300 Kilo schwer. 'Da kann sich so manches Pony hinter verstecken', sagt Sabine Duda, die als Krankenschwester im Nachtdienst arbeitet. Auch zur Entspannung geht sie gerne zu ihren geliebten Borstentieren. 'Wenn man schlechte Laune hat, braucht man nur zu den Schweinen zu gehen, das heitert die Stimmung wieder auf.'
Doch so gern sie ihre Säue und Eber hat: Nach Möglichkeit sollen sie nicht für immer hier bleiben. Über die Internet-Seite der Schweinefreunde kann sie die Tiere immer wieder in gute Hände vermitteln, sodass Platz für frisch gerettete Neulinge frei wird. Die Haltung der Tiere finanziert sich durch Spendengelder und Paten. Wer will, kann die Patenschaft für ein Schwein übernehmen - das kostet rund 150 Euro im Jahr.
Als Paten engagieren sich oft Leute, die selbst gerne ein Minischwein hätten, aber keinen Platz dafür haben oder auch Besitzer, die umgezogen sind und ihre Sau nicht mitnehmen konnten. Immer mehr Menschen halten Minischweine als Haustiere, und leider informieren sich nicht alle darüber, was da auf sie und das Tier zukommt. Denn auch Minischweine wachsen und sind oft gar nicht mehr so mini. Spätestens dann, wenn das Schwein nicht mehr auf den Balkon passt, wird klar, dass es hier auch nicht hingehört - und dass es unglücklich wird, wenn man es ohne Artgenossen hält. Denn Schweine sind sehr gesellige Tiere, erklärt Sabine Duda. Sie und ihr Mann setzen sich aktiv für artgerechte Haltung ein und machen vor, wie es geht - gerade bei den Tieren, die oft nur als Schnitzel-Rohstoff gelten.
Der Verein Schweinefreunde jedenfalls verteidigt seine Lieblingstiere vehement gegen alle Vorurteile und Anschuldigungen: Schweine seien weder schmutzig noch faul, und sie stinken auch nicht. Ganz im Gegenteil: 'Schweine riechen nach einer Mischung aus Maggie und Blümchen', klärt der Vereins-Flyer 'Schweinsein' auf.
Über hundert Mitglieder haben die Schweinefreunde inzwischen bundesweit und sogar im Ausland. Zur Jahreshauptversammlung kommen viele von ihnen auf die Twister-Ranch. Der Grund für die Anreise ist wohl weniger der Gremientreff als das Vergnügen, eine Weile nur von Schweinen und Gleichgesinnten umgeben zu sein: 'Wir quatschen dann den ganzen Tag über Schweine und abends wird vegetarisch gegrillt', erzählt Sabine Duda. 'Da ist man unter sich und wird nicht - wie von manchen Nachbarn - milde belächelt, weil man Schweine hält, einfach so, nur zum Spaß.'
http://www.weser-kurier.de/Artikel/Region/Niedersachsen/71415/Schweine+im+Paradies.html
Mit freundlicher Genehmigung von Sara Sundermann, Weser-Kurier