Hallo liebe Schweinefreunde,
ich habe kürzlich diesen Text gefunden und möchte Diesen Euch nicht vorenthalten. Ich könnte mir denken, dass ihn schon Einige von Euch kennen, da ich ja "Frischling" auf dem Gebiet Schwein bin.
Das Schwein ist der MenschDie Geschäftsbedingungen zwischen Mensch und Schwein sind klar: Wir geben ihnen zu fressen, dafür fressen wir sie. Aber das kann doch nicht alles sein. Ein Entschuldigungsbrief.
Sehr geehrte Schweine,
entschuldigt bitte, dass ich mit diesem Brief so unvermittelt in den Stall hereinplatze. Ich weiß, Ihr habt keine Sekunde Zeit – Ihr müsst fressen, damit Ihr möglichst flott das Schlachtgewicht erreicht. Aber ich muß jetzt einfach mal was loswerden. Es liegt mir schon lange im Magen.
Gestern, als ich beim Metzger zwei Schweinefilets kaufen wollte, hat es mich wieder mal erwischt. Da lachte mich fröhlich vom Tresen dieses pralle Plastikschwein an, das voller Speck und Zuversicht in vielen Schlachtereien für seine eigene Vernichtung wirbt. Ich brach innerlich zusammen, stammelte irgend etwas von „…doch lieber Gemüse“ und verließ den Laden.
Könnt Ihr verstehen, dass mich bisweilen das Gewissen plagt? Laßt mich das mal erklären.
Es ist ja nun nicht zu bezweifeln, dass unser Verhältnis zu Euch – die Beziehung Mensch-Schwein – ,milde gesagt, gespannt ist. Für uns Fleischfresser seid Ihr reine Geschmackssache, für den Metzger eine Kilopreis-Angelegenheit, und für den Züchter stellt Ihr nur ein einziges
Problem dar: Wie kommt Ihr am billigsten in fünf Monaten von 15 auf 100 Kilo? Wir pferchen Euch deshalb ein, pumpen Euch mit Drogen voll und sparen auch noch am Stroh.
Die Geschäftsbedingungen zwischen Mensch und Schwein sind klar, und wir nutzen unseren Platz am Ende der Nahrungskette brutal aus: Wir geben Euch zu fressen, dafür fressen wir Euch. Jede Sekunde muß deshalb in Deutschland eins von Euch sein Leben lassen und endet abgepackt und folienverschweißt in irgendeiner Tiefkühltruhe.
Ich verstehe gut, wenn einige von Euch jetzt genervt die Schweinsäuglein zur Stalldecke verdrehen. Ich bin für Euch ja schließlich auch nur so einer, der bei Eurem Anblick „Ach, wie niedlich“ sagt und drei Stunden später am Esstisch „Oh, wie lecker!“ Aber so einfach ist das nicht. Ich weiß, dass Ihr nicht nur niedlich seid, sondern auch schlau, fast so schlau wie Delphine. Daß Ihr sauber seid und erst der Mensch Euch durch die Massenhaltung zum Dreckschwein-Dasein zwingt. Und ich habe gehört, dass Ihr Euch abends, wenn es im Stall ruhig geworden ist, wunderschöne Geschichten erzählt. Von den ollen Griechen zum Beispiel. Die glaubten fest daran, dass ihr Gott Zeus als Kind von einer Wildsau genährt wurde. Vom goldborstigen Sonneneber Gullinborsti, auf dem die Fruchtbarkeitsgöttin Freya ritt. Oder die
Geschichte, die die Ferkel gar nicht oft genug hören können: vom Weißen Himmelsschwein, das jeden Abend die Sterne gebiert und sie morgens wieder verschlingt. So erklärten sich jedenfalls die Trojaner und Ägypter das Firmament. “Noch mal, noch mal“, grunzen die Ferkel dann aufgeregt und quieken vor lauter Freude, werfen sich auf den Rücken und strampeln mit den strammen Beinchen in der Luft. Und kurz bevor sie in den Tiefschlaf hinübergleiten, gucken sie noch mal mit großen Augen in die Rotlichtlampe und träumen von der Sonne. Dann, wenn der Nachwuchs schläft, erzählen sich die Großen von den Zeiten, als es noch keine künstliche Besamung gab und die Welt schweinemäßig in Ordnung war.
Wenn ich mir diese blauen Stunden in Euren Ställen vor Augen führe, schäme ich mich für so manchen dumpfen Fernsehabend. Und ich schäme mich für unsere politische Kultur, in der die Politiker einen starken Hang zum Fleischgroßhandel haben und das Schimpfwort „Saustall“ zum anerkannten parlamentarischen Umgangston gehört.
Dabei war einer der wenigen Menschen, der Euch wirklich zu schätzen wusste, ausgerechnet ein Politiker. Es war der amerikanische Präsident Harry S. Truman. Der forderte, dass ein Mensch, der ein Schwein nicht verstünde, niemals Präsident werden dürfe. Der Gute! Heute ist das umgekehrt: Menschenpräsident wird der, den kein Schwein versteht.
Einen anderen Freund habt Ihr in Bert Brecht. Kennt Ihr sein wunderschönes Gedicht über das Schwein Malchus, das sich in die Sonne verliebt hatte? Die erste Strophe geht so:
Hört die Mär vom guten Schwein
Und von seiner Liebe!
Ach, es wollt’ geliebet sein
Und bekam nur Hiebe.
Ja, der Mensch Brecht hatte recht: Ihr bekommt Hiebe statt Liebe, und bei uns kommt das Fressen mal wieder vor der Moral. Dabei wärt Ihr doch schon mit so wenig zufrieden: ein bisschen mit dem Rüssel im Modder wühlen; dass die Ferkel es mal besser haben; immer genug zu essen; keinen Streß; einen Baum zum Schwartescheuern in der Nähe und immer ein paar Zentimeter Speck über der Wirbelsäule. Im Grunde wollt Ihr gar nichts andres als wir Menschen.
Am besten hat mir noch gefallen, was der englische Chirurg Michael Beswick sagte, der daran arbeitet, Schweineherzen in Menschen zu transplantieren: “Schweine“, sagt der gute Mann, „sind dazu am besten geeignet, weil sie physiologisch gesehen horizontale Menschen sind – wie man Menschen auch vertikale Schweine nennen könnte. Ihr Herz und ihre Nieren sind bei gleichem Gewicht praktisch identisch.“
Nicht nur Herz und Nieren, Freunde.
Herzlichen Gruß von einem vertikalen Schwein an Euch horizontale Menschen.
Astrid |