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22.06.2003 08.46 | Jörg | Tierschutzbund: Anwalt der Tiere sein
Rund 1300 Verstöße gegen das Tierschutzgesetz werden jedes Jahr in Thüringen registriert: misshandelte Hunde, getötete Katzen, vernachlässigte Schafe . . . Es folgen Strafanzeigen, Haltungsverbote werden verhängt, die Tiere kommen ins Heim. Ein wichtiges Thema, aber längst nicht das einzige, mit dem sich die heute in Erfurt - erstmals in den neuen Ländern - tagende Hauptversammlung des Deutschen Tierschutzbundes befasst. Wir sprachen mit dessen Präsident Wolfgang Apel.

Vertreter von insgesamt 713 Vereinen kommen nach Erfurt - mit welchen Erwartungen?

Neben den Wahlen der Verbandsgremien wird die Zukunft des Tierschutzes in Deutschland im Blickpunkt stehen. Mit der Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz ist ein wichtiger Durchbruch gelungen. Von Erfurt wird ein klares Signal an die Bundesregierung ausgehen, Rechtslücken zu schließen und den ehrenamtlichen Tierschutz gezielt zu fördern. Denn für die Tierschutzvereine vor Ort sah sich der Bund bislang nicht zuständig. Wichtig ist zudem die praktische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Unter anderem wird der Adolf-Hempel-Jugendtierschutzpreis verliehen.

Am 17. Mai vorigen Jahres hat der Bundestag mehrheitlich für den Tierschutz im Grundgesetz gestimmt. Geht es Tieren jetzt besser?

Wir beobachten, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte Tierschutzvergehen zunehmend verfolgen und bestrafen. Aber die Behörden, die beispielsweise über die Zulassung von Tierversuchen entscheiden oder die Tierhaltung in der Landwirtschaft überwachen, reagieren teils noch zögerlich. Wir brauchen also klare Regelungen und Vorgaben - vor allem aber ein Verbandsklagerecht für seriöse Tierschutzverbände. Wenn Tierquäler nicht belangt werden, müssen die Tierschutzorganisationen statt der Tiere klagen können wie es im Umweltschutz längst üblich ist.

Seinerzeit protestierten auch mehr als 3000 Leser dieser Zeitung gegen die Lebendtiertransporte. Noch werden täglich eine Million Schlachttiere durch Europa gekarrt. Stimmt Sie das nicht traurig?

Tiertransporte sind ein internationales Problem, da sind sehr viel schwieriger Verbesserungen durchzusetzen. Dennoch gibt es Fortschritte. So konnten wir eine Kürzung der EU-Exporterstattungen durchsetzen, die einen großen finanziellen Anreiz für die Ausfuhr lebender Rinder aus Europa darstellen. Für die Tiere ist das aber längst nicht genug. Demnächst sollen die Transportbestimmungen der EU überarbeitet werden. Das bietet eine neue Chance. Dank des Druckes aus der Bevölkerung haben wir die rot-grüne Regierung auf unserer Seite. Für den 1. Juli bereiten wir wieder einen Aktionstag gegen Tiertransporte vor.

Nötig sind sinnvolle Verordnungen für die artgerech- te Haltung von so genannten Nutztieren. Doch die erhoffte Agrarwende bei der Intensivhaltung steht ja immer noch aus. Was tun Sie dagegen?

Mit dem Beschluss, der Käfighaltung von Legehennen in den kommenden Jahren ein Ende zu machen, ist ein erster Schritt erfolgt, um die notwendigen Änderungen auch in der konventionellen Tierhaltung umzusetzen. Insgesamt aber ist die aktuelle Situation in der industri- alisierten Tierhaltung nach wie vor katastrophal. Was die Haltung von Schweinen und die so genannte nutztierartige Haltung von Pelztieren angeht, wird gerade über eine Neuregelung dieser Bereiche verhandelt. Für die Haltung von Mastgeflügel hoffen wir bald ebenfalls eine Regelung zu erwirken. Um möglichst viele Forderungen des Tierschut- zes durchzusetzen, hoffen wir - wie bei den Tiertransporten - auch auf die Bevölkerung. Denken wir nur an die Plakataktion zum Verbot der Pelztierhaltung.

Die Zahl der Tierversuche ist wieder gestiegen, die Region Jena hat mit rund 11 000 Tieren unrühmlichen Anteil daran. Warum gibt es so wenig tierversuchsfreie Verfahren?

Ein beträchtlicher Teil der Tierversuche wird vom Gesetzgeber verlangt, um neue Stoffe und Substanzen auf gesundheitliche Unbedenklichkeit und anderes zu prüfen. Das ist ein Skandal, weil nachgewiesen wurde, dass Tierversuche oft falsche Aussagen über die Giftigkeit von Stoffen liefern. Wir brauchen daher auch eine Wende in der Forschung. Dazu gehört, tierversuchsfreie Verfahren angemessen zu fördern. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) verteilt im Auftrag des Staates jährlich rund 400 Millionen Euro Steuergelder an die biomedizinische Forschung. Dagegen stellt die Bundesregierung zur Förderung der tierversuchsfreien oder einer alternativen Forschung gerade einmal drei bis vier Millionen Euro jährlich zur Verfügung.

Die Jagd scheidet die Geister; organisierte Tierschützer lehnen sie generell ab. Wie könnte Ihre geforderte Novellierung des Jagdgesetzes aussehen?

Es kann nicht sein, dass festgefahrene Traditionen über dem Tierschutz stehen und dies als Weidgerechtigkeit verharmlost wird. Die willkürliche oder hobbymäßige Bejagung wild lebender Tiere muss ebenso ein Ende haben wie der Abschuss von Haushunden oder Katzen. Und auch die Jagdzeiten und Jagdmethoden gehören auf den Prüfstand. Der Einsatz von tierquälerischen Totschlagfallen oder von Bleischrot bei der Vogeljagd muss ebenfalls endlich der Vergangenheit angehören.

Tierschutz in Thüringen, das reicht vom aktiven Landesverband bis zur Tierschutzwoche und zum Tierschutzpreis. Waren dies besondere Gründe für die Wahl des Tagungsortes?

Ja, auch deshalb war es für uns selbstverständlich zu kommen. Thüringen war übrigens eines der ersten Bundesländer, das den Tierschutz in die Landesverfassung aufnahm. Dank solcher Signale hat sich in der Vergangenheit bundesweit viel im Tierschutz getan. Über Weiteres wird heute diskutiert.

Quelle: Thüring
er Allgemeine

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