BERLIN - Schweinehaltung in der Europäischen Union hat einen gewissen Spaßfaktor. Spätestens seit gestern. Da musste sich die EU-Kommission der Frage widmen, ob Schweine ein Anrecht aufs Basketballspielen haben. Die britische "Times" hatte unter Berufung auf einen Ministeriumssprecher behauptet, Landwirte müssten zur Erfüllung angeblicher EU-Vorgaben Fuß- oder auch Basketbälle in die Ställe legen. Die Kommission dementierte. Allerdings regeln Vorschriften, dass Sauen und Jungsauen ständig Zugang zu "Beschäftigungsmaterial" haben müssen. Damit sind Materialien gemeint, die die Schweine untersuchen und bewegen können. Von Basketbällen sei im Gesetzestext aber nicht die Rede, hieß es in Brüssel.
Nach diesem Vorspiel könnte auch die heutige Bundestagsdebatte einigen Unterhaltungswert haben. Auf Antrag der FDP-Fraktion soll über die Schweinehaltungsverordnung diskutiert werden. Ein heikles Thema in Deutschland. Denn derzeit existiert keine bundesdeutsche Regelung für die Schweinehaltung. Eine entsprechende Verordnung wurde 1999 wegen Formfehlern außer Kraft gesetzt. Ein neues Gesetz liegt noch nicht vor.
Diese Situation sorge bei den deutschen Landwirten für "Verunsicherung", kritisiert Hans-Michael Goldmann, agrarpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, die rot-grüne Regierung. Schweinehalter scheuen davor zurück, in neue Ställe zu investieren, so lange nicht klar ist, ob die Ställe den künftigen gesetzlichen Anforderungen entsprechen. "Ein unerträglicher Zustand", so Michael Hoffmann, Geschäftsführer des Schweinezucht- und Produktionsverbandes Berlin-Brandenburg.
Doch nicht nur aus diesem Grund ist das Verbraucherschutzministerium in Zugzwang. Eigentlich sollte bis Ende 2002 geltendes EU-Recht bei der Schweinehaltung in nationales Recht umgesetzt werden. Der "Referentenentwurf" dafür wird aber erst im Frühjahr vorliegen, kündigte eine Ministeriumssprecherin an. Das Problem: Berlin möchte in den Tierschutzbestimmungen gern weiter gehen als Brüssel.
Solche nationalen Alleingänge lehnt der Landesbauernverband Brandenburg strikt ab. Das bedeute Wettbewerbsnachteile für einheimische Erzeuger, sagt Verbandssprecher Holger Brantsch. Diese Befürchtungen teilt auch das Potsdamer Agrarministerium. Dabei sei es doch gerade die Schweineproduktion, die in der Region Wachstumsmöglichkeiten biete, so Alfred Henze, Referatsleiter Tierzucht.
Das Land Brandenburg hat wenigstens eine Übergangsverordnung für die Schweinehaltung. Nordrhein-Westfalen übrigens auch, und zwar einen in Fachkreisen sehr berühmten Erlass. Der sieht nämlich vor, dass pro Schwein pro Tag 20 Sekunden Betreuung vorzusehen sind. "Persönliche Betreuung", betont Goldmann von der FDP. Experten nennen das Papier daher kurz "Kuschelerlass".
(Quelle: Märkische Allgemeine) |