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17.12.2002 22.55 | peggy | Schweine geben alles für die Wissenschaft
Schweine im Dienste der Forschung. In Dummerstor wird die Auswirkung von Stress auf die Fleischqualität von Nutztieren untersucht.

Dummerstorf (dpa) Schwein „Nummer 3“ ist gestresst: Soeben hat ihm ein Orgelton signalisiert, dass jetzt die Zeit für eine Mahlzeit gekommen ist. Verpasst das Tier diesen Zeitpunkt, dann muss es sich bis zum nächsten Signal gedulden. So läuft „Nummer 3“ zum Futterautomaten, drückt mit der Schnauze einen Knopf und erhält eine Portion. Dieses ungewöhnliche Fressritual wiederholt sich etwa 30 Mal am Tag und soll vor allem die Monotonie im Leben der gelangweilten Vierbeiner vertreiben – allerdings nur zur Überprüfung einer wissenschaftlichen These.

Die Experten des Forschungsinstituts für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere (FBN) in Dummerstorf bei Rostock erproben mit dieser Dressur die Wirkung von „positivem Stress“. Deutlich über- oder unterforderte Tiere, so ihre Vermutung, haben schlechteres Fleisch und erkranken häufiger an Infektionen als jene mit der richtig dosierten Abwechslung. Deshalb halten die Forscher ihre insgesamt acht Schützlinge mit der speziellen Füttermethode auf Trab und suchen nach dem Idealmaß für die Aktivität von Schweinen. Die benachbarte Kontrollgruppe „arbeitsloser“ Tiere döst derweil – wie in vielen Ställen Deutschlands üblich – träge vor sich hin.

Bisher ist zumindest der negative Einfluss von extremem Stress bewiesen. „Wir wissen, dass zu große Aufregung der Tiere, etwa beim Transport, die Fleischqualität sehr verringern kann“, sagt die Ernährungsexpertin Uta Nehls von der Verbraucherzentrale M-V. Das Fleisch werde dann blass, weich und auch wässrig.

Die gezielt gestressten Schweine in Dummerstorf sind eines von derzeit fast 80 Projekten des Instituts. Rund 70 Forscher untersuchen neben Schweinen vor allem Schafe, Ziegen, Rinder und Pferde – insgesamt mehrere hundert Tiere. „Die Einrichtung in Dummerstorf ist bundesweit von großer Bedeutung, weil sich hier an einem Ort viele verschiedene Disziplinen mit Nutztieren beschäftigen“, sagt Institutssprecher Norbert Borowy. Unter anderem sind Fortpflanzungs-Biologen, Genetiker und Verhaltensforscher unter dem Dach der schon 1939 gegründeten Einrichtung vereint. Zu DDR-Zeiten war hier ein Zentrum für die Nutztierforschung der Ostblock-Staaten.

Aus dieser Zeit stammt auch ein bis heute fortgeführter Versuch mit Hausmäusen, dessen Ergebnisse auch auf andere Tierarten und sogar auf Menschen übertragen werden könnten. Vor etwa 25 Jahren begannen Forscher, nur die jeweils dicksten Mäuse zu paaren. Nach derzeit 130 Generationen lautet das Fazit: Dicke Mauseltern bekommen Kinder, die sehr anfällig für Fettleibigkeit sind. „Diese Erkenntnis kann wichtig für die Zucht von Schweinen und Rindern, aber etwa auch für Diäten von übergewichtigen Kindern sein“, sagt Borowy. An Schweinen und Rindern könne diese Vererbung kaum erforscht werden, weil deren Generationen erheblich länger dauerten.

Ein wichtiger Erfolg der jüngsten Forschung in Dummerstorf ist der zum Patent angemeldete „Stress-Monitor“. In fünfjähriger Arbeit entwickelten die Wissenschaftler das Gerät „Stremodo“, das auch in einer lauten Geräuschkulisse exakt die Hilfeschreie geängstigter Schweine wahrnimmt. „Damit könnten Haltung und Transport weniger belastend für die negativ gestressten Tiere gestaltet werden“, betont Borowy. Zu den konkreten Vorteilen von positiv gestressten Schweinen kann das Institut noch nichts Genaues verkünden. Ergebnisse werden in etwa zwei Jahren erwartet

(Quelle:Ostsee Zeitung 17.12.2002)

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