Ja Cyrell,
aber hier geht es um Macht und um Kohle, was natürlich viel wichtiger ist als Artenvielfalt und Selbstbestimmung der einzelnen Völker.
Iraker sollen ihr Saatgut nicht mehr aussäen dürfen
Seit über einem Jahr erhalten irakische Bauern als US-Hilfslieferungen patentiertes Saatgut. Ein von den USA erlassenes Gesetz zwingt sie dazu, dafür Lizenzgebühren zu zahlen. // Leo Frühschütz
Kaum jemand achtete auf „Order 81“. Sie war eine von Hunderten Gesetzespassagen, die die US-Besatzungsbehörde im Frühjahr 2004 verabschiedete. „Order 81“ erlaubt Patente auf Saatgutzüchtungen. Sobald irakische Bauern dieses Saatgut verwenden - aufgrund der Kriegsereignisse bleibt ihnen nichts anderes übrig - dürfen sie nicht mehr, wie seit Jahrtausenden üblich, einen Teil ihrer Ernte aufheben und im nächsten Jahr kostenlos als Saatgut aussähen. Haben sie sich einmal für patentiertes Konzern-Saatgut entschieden, müssen sie jedes Jahr Lizenzgebühren an die großen Saatgutkonzerne wie Monsanto, Syngenta oder Bayer zahlen.
„Eine Kriegserklärung an die Bauern“ sei das, wettert die internationale Umweltorganisation Grain. In diesem Frühjahr unterschrieben zahlreiche Träger des alternativen Nobelpreises eine Resolution - unter anderen der Deutsche Hans-Peter Dürr -, in der sie „Order 81“ als „Verbrechen gegen die Menschheit“ bezeichnen und die Regierungen der USA und des Irak aufforderten, das Gesetz zurückzunehmen.
Für die Kritiker ist die Regelung das Kernstück einer Kampagne, den Irak als Markt für die Agrarkonzerne zu erschließen. Als „infam“ kritisieren sie, dass die USA dabei gezielt die Not der irakischen Bauern ausnutzen. Durch den Krieg liegt Iraks Landwirtschaft am Boden. Saatgut ist Mangelware.
Gezielt bringen die USA als Nahrungs- und Entwicklungshilfe patentrechtlich geschützte Saaten ins Land und weisen die Bauern in deren Anbau an, so berichtet die britische Wissenschaftler-Organisation ISIS. „In ein, zwei Jahren wird diese Nächstenliebe durch das Einsammeln von Lizenzgebühren für das Saatgut ersetzt“, vermutet Brian John von ISIS.
Lobbyist als Aufbauhelfer
Hauptsächlich verantwortlich für den Wiederaufbau der irakischen Landwirt-schaft ist auf der US-Seite Dan Amstutz. Er ist Staatssekretär im Agrarministerium und war einst Manager beim weltgrößten Getreidehändler Cargill.
„Der Mann ist einmalig schlecht dafür geeignet, den Wiederaufbau in einem Entwicklungsland zu leiten“, kommentierte die angesehene britische Entwicklungshilfeorganisation Oxfam die Ernennung von Amstutz. Und weiter: „Das ist, als hätte man Saddam Hussein zum Vorsitzenden einer Menschenrechtskommission gemacht.“ Am Erhalt lokaler irakischer Getreidesorten haben die neuen Machthaber im Irak kein Interesse. Dabei stand hier die Wiege der Landwirtschaft. Vor 10.000 Jahren begannen die Menschen in Mesopotamien, dem Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, mit der Kultivierung von Pflanzen.
Doch ihre Zukunft sieht düster aus. Die Bestände der in den 70er Jahren aufgebauten nationalen Samenbank in Abu Ghraib sind wahrscheinlich zerstört. Zwar gebe es in einem Forschungsinstitut im benachbarten Syrien noch zahlreiche aus dem Irak stammende Sorten, berichtet Brian John von ISIS. Doch die Syrer zögerten, dieses landwirtschaftliche Erbe an den Irak zurückzugeben. Der britische Wissenschaftler vermutet, dass womöglich Forscher aus Industrieländern mit den einst irakischen Züchtungen arbeiten. Kämen neue Züchtungen mit den Eigenschaften traditioneller irakischer Sorten auf den Markt, müssten die Bauern auch dafür Lizenzgebühren zahlen.
Um eine solche Entwicklung zu verhindern, fordern die alternativen Nobelpreisträger in ihrer Resolution den Aufbau regionaler Samenbanken, die von den einheimischen Bauern selbst kontrolliert werden sollen. |