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27.11.2002 22.49 | Andreas Bertram | Wildschweine
Bericht: Lübecker Nachrichten!

Den Wildschweinen eilt ein schlechter Ruf voraus.
Oft müssen die Tiere mit der Steckdosennase
als Synonym für Ungepflegtheiten herhalten.
Doch wer sie kennt, weiß, dass Ordnung und Sauberkeit bei ihnen groß
geschrieben werden.
{Text}
Von Michael Krabs (Text)
"Schwein gehabt"! Dieser Gedanke mag dem Tierfotografen Helge Schulz
gekommen sein, als er nach zwei Jahren Warterei endlich Aufnahmen von
Frischlingen im Kasten hatte. Nur wer das Vertrauen der Rotte gewinnt, kann
ihnen nahe kommen.
Normalerweise sind Wildschweine scheu und vorsichtig. Der starke Jagddruck
und ihre Vorliebe für nächtliche Aktivitäten sorgen dafür, dass wir die
Borstentiere nur selten aus der Nähe sehen. Das gilt besonders für Bachen
mit Frischlingen. Die bis zu 150 Kilo schweren Bachen verteidigen ihre
Jungen mutig gegen jede vermeintliche Gefahr. Noch weniger zu lachen hat,
wer sich mit den Keilern anlegt. Die rund 200 Kilo schweren Eber setzen beim
Angriff obendrein ihre scharfen Eckzähne ein, indem sie seitlich geführte
Schläge mit dem Kopf austeilen. Tierfotograf Helge Schulz musste deshalb
erstmal dafür Sorge tragen, dass ihn die Rotte nicht als Fremdkörper
betrachtete. Doch hätte er wohl kaum gedacht, dass es so lange dauern würde,
die Herzen der Schweine zu erobern.
Nach zwei Jahren Ansitzen in einem Wäldchen bei Itzehoe und unzähligen
nahrhaften Geschenken war es endlich soweit. Die Wildschweine störten sich
nicht mehr an seiner Anwesenheit. Der Tierfotograf war als eine Art
"Ehrenmitglied" in die Rotte aufgenommen und wurde fortan Zeuge allerlei
schweinischer Verhaltensweisen. Als neues Mitglied der Schweinebande nahm er
aber einen niedrigen Platz in der Rangordnung ein. So kam es, dass ihn Eber
Nummer zwei als Ablassventil für seinen Frust nutzte. Nummer zwei wäre
nämlich gerne Nummer eins geworden, konnte sich gegen den Leiteber aber
nicht durchsetzen. Mit Scheinangriffen auf den armen Fotografen wollte er
dann seinen Mut beweisen. Zum Glück stoppte der Eber seine Angriffe stets
wenige Meter vor der Kamera.
Mit Erstaunen nahm der engagierte Fotograf zur Kenntnis, wie viel Ordnung
und Sauberkeit bei Familie Wildschwein herrscht. Es gilt eine strenge
Hierarchie im Schweinestaat. Für die Liebe gibt es feste Zeiten - ansonsten
leben Männlein und Weiblein strikt getrennt. Die Frischlinge der
ranghöchsten Bache stehen zunächst auch ganz oben. Erst im Alter von etwa
sieben Monaten beginnen die Jungen eine eigene Rangfolge auszukämpfen.
Wenn man die Schweine beim Schlammbad oder kreuz und quer übereinander
schlafend sieht, kommt einem schnell der Begriff "Sauhaufen" in den Sinn.
Doch der Schein trügt. Tatsächlich sind Wildschweine sauber und gewitzt. Man
kann sie sogar im Haus aufziehen. Die Schweinchen fressen, was sie
vorgesetzt bekommen und sind schnell stubenrein. Und auch die Schlammbäder
in der Suhle dienen nur einem Zweck: Der Fellpflege. Denn der Schlamm
vertreibt lästige Untermieter und bietet im Sommer eine angenehme Kühlung.
Bevor die Kleinen ins Wasser dürfen, prüft die Bache erstmal sorgfältig die
Suhle. Das Badewasser muss wohl temperiert sein und der Schlamm darf weder
zu dünnflüssig noch zu zäh sein. Erst wenn alles stimmt, steigt nacheinander
die ganze Schweinebande ins Bad. Zuerst die ranghöchste Bache, dann die
Kleinen und ganz zum Schluss die Eber. So viel Ordnung muss sein!
In der winterlichen "Rauschzeit" führt eine ältere Bache die Frischlinge
zuerst ein paar hundert Meter weit weg, bevor die Alten mit ihrer Party
beginnen. Kein Schweinkram in Anwesenheit der Kinder! Dann geht es im Forst
rund, dass die Schwarte kracht! Laute Abwehr- und Protestlaute der Bachen
werden vom werbenden Grunzen der Eber noch übertönt.
Vielerorts hat sich der Wildschweinbestand in den letzten zehn Jahren stark
erhöht. Paradoxerweise liegt dies in erster Linie am Waldsterben: Denn
kranke Eichen und Buchen entwickeln vor dem Absterben besonders viele Samen,
um ihren Bestand zu sichern. So konnten sich die Schweine in einigen
Regionen 20 Jahre lang satt fressen. Sehr zur Freude der Förster, da
Wildschweine den Boden auflockern und Mäuse sowie schädliche Insekten
dezimieren. Ein weiterer Grund für die Vermehrung der Schweine ist das
Fehlen natürlicher Feinde wie Wolf oder Luchs.
Im Winter zeigen dann die Borstentiere, dass sie mächtig Grips haben. Mit
einer "Knollendiät" schlagen sie der kalten Jahreszeit ein Schnippchen. Dank
ihres perfekten Geruchssinns können sie Wurzeln, Pilze und Knollen selbst im
gefrorenen Boden noch zielgenau erschnuppern. Mit Hilfe ihrer Wühlschnauze
graben sie dann den harten Boden auf, um an den gefrorenen Leckerbissen zu
gelangen. Wer sich vorher im Herbst ein dickes Fettpolster angefressen hat,
kommt so mühelos über den Winter. So erspart sich "Schweinchen Schlau" den
Winterschlaf und kann seine Jungen bereits im März zur Welt bringen.



25.08.2003 17.36 | Bille |
Danke für den Bericht ! :) Sehr interessant.

26.08.2003 04.48 | Jörg |
*Bille-anschließen-tu*

Hätte den Bericht jetzt fast im Newsforum neu gepostet...dann ist mir aufgefallen, dass er doch etwas lebensälter ist ;) :D !

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