News „Billig-Fleisch ist kein Lebensmittel mehr“
Früher war Karl Ludwig Schweisfurth (76) Deutschlands Wurst- König, verdiente Millionen mit Tierfabriken. Heute ist er Ökobauer und der schärfste Kritiker der Fleisch-Industrie
Von EVA GORIS
Wenn Karl Ludwig Schweisfurth ans Gatter kommt, begrüßen ihn seine robusten Schweine. „Sie freuen sich, wenn sie mich sehen“, behauptet er
Der Tod am Fließband, das angsterfüllte Brüllen vieler Millionen verblutender Schweine und Rinder gehörten im Meat-District von Chicago (USA) zum Alltag. Auf den größten Schlachthöfen der Welt war das industrielle Töten von Tieren erfunden und perfektioniert worden.
Staunend stand gleich nach dem Zweiten Weltkrieg ein 24-jähriger Fleischergeselle aus Herten in Westfalen in diesem gewaltigen Moloch aus Fleisch und Blut, beobachtete die Tötungsmaschinerie – und roch das ganz große Geschäft!
Sein Vater, ein Metzgermeister, hatte ihn in die USA geschickt, um zu lernen. Und Karl Ludwig Schweisfurth begriff schnell.
Heute kritisiert Öko-Bauer Karl Ludwig Schweisfurth Tierfabriken und Fließbandschlachtung
Er lernte, wie man Schweine industriell verwurstet und am Fließband noch das letzte Stückchen Muskulatur vom Knochen schabt und fein vermahlen in der Pelle verschwinden lässt.
Er nutzte seine Chance und brachte das perfektionierte Schlachten nach Deutschland.
Damit wurde Karl Ludwig Schweisfurth schnell zum Wurstkönig der Republik. Billigfleisch und Billigwurst waren in den kommenden Jahrzehnten seine Welt. Schweisfurth machte die Firma Herta zum größten Wurstimperium Europas und scheffelte mit dem Elend der Schweine Millionen.
Heute ist der Wurstkönig von einst ein erklärter Feind aller Tierfabriken, Massenanlagen und des industriellen Tötens. Der inzwischen 76-Jährige:
„Schweine brauchen frische Luft und Licht. Sie leiden, wenn sie zusammengepfercht auf Spaltenböden über ihrer stinkenden Gülle stehen und kein Tageslicht sehen.“ Was hat den Wurst-Saulus zum Schweine-Paulus gemacht?
„Ich habe viele Millionen Mal die Angst der Tiere in ihren Augen gesehen – diese entsetzliche Todesangst“, sagt er leise. „Dabei sind Schweine sensible Wesen mit Gefühlen, die uns Menschen nicht unähnlich sind.“ Außerdem, so sagt er, schmecke das Fleisch gequälter Fabrikschweine einfach schauderhaft.
Vor mehr als 20 Jahren verkaufte Karl Ludwig Schweisfurth sein Fleischimperium und wurde Öko-Fleischer. Heute hält Schweisfurth 500 glückliche Schweine in seinem Ökobetrieb, den Herrmannsdorfer Landwerkstätten, in der Nähe von München. „Ich decke ihnen hier draußen den Tisch.“
Damit meint er all die Pflanzen auf der Weide, auf der seine Schweine nach Wurzeln und Insekten schnüffeln und graben, Schnecken fressen und Grünzeug knabbern können. „Wir bauen ihnen ganz einfache Hütten als Unterstand. Sie sind so robust und können sogar den Winter über draußen bleiben.“
Mit seinem Projekt zeigt er, dass es auch anders geht. Über den Gammelfleisch-Skandal, der in diesen Tagen Deutschlands Verbraucher erneut beunruhigt, wundert sich Karl Ludwig Schweisfurth überhaupt nicht. Er kennt das Geschäft. Für ihn ist der Skandal unter anderem eine Folge der ruinösen Preispolitik, bei der es um jeden Cent geht.
Niemand vernichtet eine Tonne Fleisch, wenn schon beim Kilogrammpreis um jeden Cent gerauft wird. Auch die Essgewohnheiten der Deutschen seien mit schuld. Der Ex-Wurstkönig:
„Billigfleisch ist kein Lebensmittel mehr, nichts, was wir zum Leben brauchen. Wir müssen nicht jeden Tag Fleisch essen – lieber ein gutes Stück einmal in der Woche genießen als tagtäglich schlechtes Fleisch runterschlingen.“
Die Landwirtschaftspolitik sei ohnehin völlig aus den Fugen geraten. Für Schweisfurth tragen die gigantischen Tierfabriken mit über 80 000 Schweinen pro Anlage, die jetzt in Brandenburg und Sachsen-Anhalt gebaut werden, „schon den Keim des Untergangs in sich“.
Diese Art der Tierproduktion sei nicht mehr haltbar und auch nicht mehr zeitgemäß. Tierseuchen und immer neue Skandale seien programmiert. Trotz allem ist Schweisfurth im Herzen Metzger geblieben.
„Ich mag köstliche Würste, herrlichen Schinken und saftige Schnitzel.“ Er schlachtet auch heute noch selbst. „Wer Fleisch essen will, muss auch das Ende eines Tieres ertragen können.“ Doch so gern der Wurstkönig Schnitzel und Schinken isst, das Fleisch gefolterter Fabriktiere will er nicht verdauen.
„Die Schweine, die wir in unseren Herrmannsdorfer Landwerkstätten verwursten, haben anständig und glücklich gelebt, gut gefressen und sind würdevoll gestorben“, sagt Schweisfurth und fügt hinzu: „Wer Fleisch isst, soll dem Tier gegenüber immer ein gutes Gewissen haben!“
Quelle:http://www.bild.t-online.de/BTO/news/aktuell/2006/09/10/billigf
leisch/billigfleisch.html
Wer sich noch näher über die Herrmannsdorfer Landwerkstätten informieren möchte:http://www.herrmannsdorfer.de/content.php?mid=00 |